J. P.: Ihr aktuelles Buch heißt „Im Krieg verlieren auch die Sieger.“ – Wie ist der Titel zu verstehen? Wer gewinnt stattdessen und warum?

D. D.: Der Untertitel lautet: „Nur der Frieden kann gewonnen werden.“ Das heißt, im Krieg gewinnt wirklich niemand. Sieht man von den Profiteuren des militärisch-industriellen Komplexes ab, einer eigennützigen Minderheit. Die sich allerdings in einer von ihr zerstörten Welt wiederfinden könnte, in der ihr Reichtum nichts mehr Wert ist. Weil Rüstung, Manöver und Krieg den Klima-Kollaps und den Zerfall der Demokratie beschleunigt haben. Der dem Freiheitsdenken verpflichtete Schriftsteller Ludwig Börne warnte, die Weltgeschichte lehre, dass selbst jedes erobernde Volk durch die Eroberung seine Freiheit verliert. Freiheit ist nämlich die Fähigkeit, unter allen Umständen das Vernünftige zu tun. Krieg aber ist immer Unvernunft und Versagen von Politik.


J. P.: Von Ihnen stammt die Aussage, Frieden müsste „ein besseres Geschäft sein als Krieg“, um sich nachhaltig durchzusetzen. Von wem lässt sich Frieden zu einem „guten Geschäft“ machen?
Welche Rolle spielt dabei die Eigentumsfrage?

D. D.: Was ein „gutes Geschäft“ ist, entscheidet sich normalerweise über den Preis, also über den angeblich freien Mart. Aber bei Waffen und Militärausrüstung verbietet sich ein freier Markt unter Konsumenten. Sieht man von illegalen Deals ab, sind Regierungen die alleinigen Auftraggeber. Nur der Staat darf Aufträge an die Rüstungsindustrie ausschreiben. Das heißt auch, dass es sich um politische Preise handelt, die ausgehandelt werden können. Die Regierungen haben es in der Hand zu entscheiden, ob diese Unternehmen wie derzeit üblich zu Geldmaschinen werden, oder eine vergleichbare oder geringere Gewinnspanne als Betriebe mit zivilen Gütern haben. Wie großzügig die Regierung mit unseren Steuergeldern ist, erfährt man kaum, aber wenn deutsche Rüstungskonzerne ihren Beschäftigten ein jährliches Durchschnittseinkommen von 68 000 € zahlen können, Leitungskräften oft sechsstellige Summen, dann stellen solche Subventionen sicher, dass Krieg ein besseres Geschäft ist als Frieden. Wenn Friedensgüter wie medizinische Geräte, Mähdrescher, Lehrmaterialien, erneuerbare Energien oder Schienenfahrzeuge zur öffentlichen Daseinsvorsorge gehören würden, also in Staatseigentum oder gar in Gemeineigentum wären, könnten eben sie so subventioniert werden, dass sie das bessere Geschäft wären. Da sprechen Sie zurecht die Eigentums- und damit die Systemfrage an.


J. P.: Ist eine gemeinsame europäische Friedensordnung noch möglich? Was wären erste Schritte in diese Richtung?

D. D.: Sie muss möglich sein, weil sie eine Überlebensfrage ist. Die existenziellen Probleme wie Klima, Ernährung, Gesundheit oder Energie sind nur gemeinsam zu lösen, also auch mit Russland, dessen allein zu Europa gehörendes Territorium fast so groß ist wie der Rest von Europa. Europa muss sich von unipolaren Zwängen emanzipieren und dafür eintreten, in Verhandlungen mit Kompromissen auf allen Seiten, deren fehlerhafte Politik in diesen Krieg geführt haben, zu einem Waffenstillstand zu kommen. Von da durch die Wiederbelebung bereits gehabter vertrauensbildender Maßnahmen gar die Vision eines gemeinsamen Hauses Europa aufgreifen, in dem eines Tages Waffen nur noch in Museen das Gruseln lehren.

Interviewführung: Julia Pöhlmann

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