Die Würde der Erde ist unantastbar!
Rede von Rainer Gunkel anlässlich des Friedenskonzertes am 18.8.2024 in Suhl
(Bild von Mymyberries auf Pixabay)
Es ist unsägliches Unheil, dass Menschen wieder und wieder Kriege gegeneinander führen. Sie führen sie
nicht nur Mensch gegen Mensch, sondern auch immer wieder als Mensch gegen die Natur. Die
Produktion, die Verwendung und die Hinterlassenschaften von Waffen setzen der Natur in tödlichem
Ausmaß zu. Es sterben nicht nur Menschen, sondern unsagbar viele Wesen gehen mit zugrunde. Aber vor
allem: Die Kriege setzen unseren eigenen Lebensgrundlagen zu.
Doch damit nicht genug des Schlimmen: Längst nicht nur damit führt die Gattung Mensch Krieg gegen
die Natur. Nein, auch schlicht und einfach mit der Art des Wirtschaftens und der Lebensweise in den
Industrieländern. Mit unserer Normalität machen wir alles kaputt. Die Erde verträgt es nicht, das stets
wachsende Wirtschaften, nicht nur, weil um die Rohstoffe, die dafür gebraucht werden, immer wieder
Kriege geführt werden, sondern auch, weil damit das Doppelte und Dreifache dessen an Natur verbraucht
und beschädigt wird, was die Erde verkraften kann. Gorbatschow sagte 1987 diesen Satz: „Noch nie
erlegte der Mensch der Natur einen so hohen Tribut auf und sah sich dermaßen verwundbar angesichts der
Gewalt, die er selbst heraufbeschworen hat. .. Ob man es will oder nicht, das Leben erzwingt den Umbau
jeder nationalen Wirtschaft, und der Weltwirtschaft im Ganzen….“ . Rudolf Bahro sagte dasselbe so: „Der
Mensch ist nicht dazu da, um zu produzieren. Dass er es dennoch tut, ist sein Untergang.“ Und erst
kürzlich schrieb Martin Flade, Leiter des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin: „Ohne
schnellstmöglichen Abschied vom Irrweg des ewigen Wirtschaftswachstums und ohne tiefgreifende
Änderung unseres Konsum- und Lebensstils werden wirksamer Klimaschutz und Naturschutz nie
vereinbar sein.“
Wann endlich sind diese Botschaften auf Seite 1 in den Leitmedien und an erster Stelle in der Tagesschau?
Wann endlich haben sie Vorrang in den sozialen Medien? Und wann auf den Plakaten in Wahlkämpfen?
Im 21. Jahrhundert geht es nicht primär darum, die Demokratie zu retten, sondern es geht darum, die Erde
zu retten. Wir wissen es nicht, welche Regierungsform die Erde bewohnbar erhalten kann. Wir glauben
daran, dass Demokratien zur ökologischen Wende fähig sind. Aber wir wissen es nicht. Noch immer
stellen „freie Wahlen“ in den Demokratien Verhältnisse her, die mit stets wachsendem Wirtschaften
(Produzieren, Konsumieren und Wegwerfen) den Planeten zerstören.
Demokratien sind verschwistert, verbrüdert und verschwägert mit Wirtschaftswachstum. Besessenes
Produzieren von Überfluss im Zuge der Globalisierung ruiniert die Erde, macht die Erde unbewohnbar.
???Demokratisierung führte bisher immer wieder zu erhöhtem Naturverbrauch (z.B. Estland)???
Ökologisierung führt in den Demokratien zu überaus erfolgreichem egoistisch-populistischem
Widerstand. Gerade gegenwärtig erzeugen freie Wahlen den „demokratischen“ Widerstand gegen
Ökologie. FREIE FAHRT FÜR VERBRENNER und WALD STATT WINDKRAFT, damit werden
Wählerstimmen zuhauf eingesammelt. Es steht geradezu vor der Tür, dass dieser Widerstand so kraftvoll
wird, dass er die Macht ergreift. Die demokratischen Strukturen ermöglichen das. Schon jetzt tritt die
Politik ständig umweltpolitische Rückzüge an, sei es in Sachen Energie, wo Import von Frackinggas
ebenso wie Verpressung von CO2 oder der Kampf gegen das Windrad Mode geworden ist. Oder in der
Landwirtschaft, wo selbst bescheidene ökologische Fortschritte wieder in der Schublade landen. Der
Krieg gegen die Natur, also gegen ökologisches Denken und Handeln, wird mit demokratischen Mitteln
geführt und mit Donald Trump, Marie le Pen und Weidel, Chrupalla und Höcke womöglich gewonnen.
Sind freie Wahlen dennoch Wahlen zu sich befreiter Bürger, also eigentlicher Demokraten? Zu sich
befreite Menschen würden doch ein Leben im Einklang mit ihren natürlichen Lebensgrundlagen wählen.
Sie wären bereit, sich die existenziellen Gefahren des Produzierens und Konsumierens bewusst zu
machen und anders zu leben, nämlich ökologisch. Sie würden all ihr Handeln einhegen in die Grenzen des
Planeten. Doch derart befreite Bürger sind weder in Demokratien noch in anderen Staatsformen in der
Überzahl. Bisher befreien auch Demokratien nicht von der Fußfessel des Produzierens. Es bedarf daher des
Mutes, die Strukturen zu hinterfragen, mindestens zuzugeben, dass auch aufrechte Demokraten nicht wirklich wissen, wie dem
Krieg der Gattung Mensch gegen die Natur ein Ende gemacht werden kann. Der ökologische Staat muss wohl erst
noch erfunden werden.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Ein guter Satz. Taugt er zum Frieden? Taugt er zum Überleben?
Nein.
Die Würde der Erde ist unantastbar!
Solange aber Menschen der Erde die Würde nehmen und sie zerbomben, versiegeln, durchbohren, solange
sie Berge abtragen, der Erde Inhalte entreißen, Gifte in die entstehenden Höhlen füllen, den Boden, das
Wasser und die Luft vergiften,
also so lange Menschen unentwegt Überfluss produzieren und konsumieren, anstatt eben das zu erzeugen,
was Menschen wirklich benötigen,
so lange gibt es
keinen Frieden auf der Erde,
keinen Frieden mit der Erde,
keinen Frieden für die Menschen.
So lange ist zu befürchten, dass eine der nächsten Generationen die letzte Generation ist.
Die Würde der Erde ist unantastbar.
Von dorther, von der Erde her müssen wir denken und handeln lernen. Von dorther muss der ökologische
Staat entstehen. Da werden Menschen Frieden schließen mit der Erde. Sie lösen sich von der Fußfessel
des Produzierens und richten sich ein auf die Grenzen der Erde. Dafür tragen sie nicht nur Verantwortung,
sondern erleben genau darin die eigentliche Freiheit.
Dazu sollen,
ja, müssen
und hoffentlich werden
sich überall Stimmen erheben.
Unüberhörbar muss er werden, dieser Schrei aus der Provinz!